„Hospizarbeit rückt Sterben, Tod und Trauer ins Zentrum“
4. Dezember 2025
Die Evangelische Bank (EB) stärkt die Hospiz- und Palliativarbeit in Deutschland mit einer Spende von insgesamt 100.000 Euro. Die Mittel fließen an 13 verschiedene Einrichtungen in ganz Deutschland. Wie bei anderen von der EB geförderten Projekten haben die Kund:innen der Bank hierzu indirekt beigetragen: Für jedes Girokonto EB-Lebenswert spendet die EB monatlich 0,50 Euro an Hilfsprojekte aus den Bereichen Kirche, Gesundheits- und Sozialwirtschaft.
Benno Bolze, hauptamtlicher Geschäftsführer des Deutschen Hospiz- und PalliativVerbands (DHPV), unterstreicht die Notwendigkeit privater Zuwendungen im Bereich der Hospiz- und Palliativarbeit. Anlässlich ihrer Großspende hat die EB mit ihm ein Interview geführt – darin spricht er über wachsende Anforderungen, unzureichende Finanzierung und warum Hospizarbeit längst kein Randthema mehr ist:
Herr Bolze, was leistet die Hospizarbeit, was das klassische Gesundheitssystem nicht leisten kann?
B. Bolze: Hospizarbeit rückt die Themen Sterben, Tod und Trauer und damit schwerstkranke und sterbende Menschen in den Mittelpunkt – nicht an den Rand. Als die Hospizbewegung in den 1980er Jahren entstand, starben viele Menschen im Krankenhaus unter unwürdigen Bedingungen, oft buchstäblich „abgeschoben ins Bad“. Durch die Hospizarbeit und Palliativversorgung ist zwischenzeitlich ein Wandel eingetreten. Sterbende Menschen und ihre Angehörigen werden mit ihren Wünschen und Bedürfnissen wahrgenommen. Dabei geht es nicht allein um Medizin und Pflege, sondern auch um Zeit, Zuwendung, psychosoziale und spirituelle Begleitung. Mitarbeitende der Hospizdienste und -einrichtungen unterstützen immer auch die Angehörigen, die oft eigene Ängste, Belastungen und Fragen haben.
Ist das im Krankenhaus nicht ebenso möglich?
B. Bolze: Auf Palliativstationen ist das sehr gut möglich, aber die meisten Menschen sterben im Krankenhaus auf anderen Stationen. Dort braucht es ein stärkeres Bewusstsein für die Situation schwerstkranker Menschen und ihrer Angehörigen. Dieser kulturelle Wandel ist an vielen Stellen sichtbar, aber noch nicht abgeschlossen.
Steigen die Anforderungen an die Hospizarbeit?
B. Bolze: Ja. Zum einen durch den demografischen Wandel: Die Zahl der Sterbefälle nimmt zu, weil die Bevölkerung wächst und älter wird. Zum anderen verändern sich Familienstrukturen, vor allem in Städten gibt es mehr Einpersonenhaushalte, Angehörige leben oft weit entfernt. Für viele Menschen fehlt am Lebensende ein soziales Netz. Auch vor diesem Hintergrund hat die ambulante Hospizarbeit eine hohe Bedeutung, denn Ehrenamtliche begleiten Menschen insbesondere zu Hause, haben Zeit für ein Gespräch und weitere Aktivitäten.
Sind die aktuellen Strukturen ausreichend, um den steigenden Bedarf zu decken?
B. Bolze: Gerade noch – aber es wird eng. Wir haben in Deutschland verschiedene Strukturen für die Versorgung der Betroffenen. Um die Versorgung möglichst lange zu Hause zu ermöglichen, ist eine neue Versorgungsform notwendig, die es in früheren Jahren schon einmal gab: die Tageshospize. Dort erhalten die Betroffenen tagsüber eine entsprechende Versorgung und Unterstützung und abends gehen sie wieder nach Hause. Die Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung schließt sich nur langsam. Eine große Aufgabe liegt zudem in Pflegeheimen. Auch dort sollen Menschen auch am Lebensende gut begleitet werden, ohne verlegt werden zu müssen. Dafür braucht es zusätzliche Fachkräfte – finanziert über die Krankenkassen, nicht über die Pflegekassen, damit die ohnehin hohen Eigenanteile der Bewohner:innen nicht weiter steigen.
Kommt die Hospizbewegung an ihre personellen Grenzen?
B. Bolze: Ja, zum Teil, denn der Pflegenotstand betrifft zunehmend auch die Hospize. Weniger Pflegefachkräfte bedeutet, dass Betten vorübergehend nicht belegt werden können. Das wirkt sich direkt auf die Aufnahmemöglichkeiten und damit auf die Versorgung stterbender Menschen aus, die dann nicht oder erst nach einer Wartezeit aufgenommen werden können.
Trotz viel Ehrenamt: Wie groß ist der finanzielle Bedarf?
B. Bolze: Sehr hoch – und dauerhaft. Ehrenamtliche müssen qualifiziert werden, doch Förderungen decken nur einen Teil der Kosten. Besonders die Trauerbegleitung wird immer stärker nachgefragt, für die es aber keine gesetzliche Grundlage für eine Förderung gibt. In stationären Hospizen müssen fünf Prozent der Kosten von den Trägern selbst gestemmt werden, was schnell 150.000 Euro pro Jahr und mehr bedeutet. Das ist im Gesundheitswesen eine Ausnahme – was dazu führt, fehlende Mittel vermehrt über Spenden einzuwerben.
Fühlt sich die Hospizbewegung gesellschaftlich anerkannt?
B. Bolze: Die Bekanntheit ist groß – über 90 Prozent der Bevölkerung wissen, was Hospizarbeit ist. Aber viele nutzen die Angebote zu spät oder gar nicht, weil sie sich erst im letzten Moment damit beschäftigen. Die Einrichtungen und Dienste wünschen sich, dass Menschen früher Kontakt aufnehmen, sich informieren und dadurch Hemmschwellen abbauen.
Weitere Informationen zum Spendenschwerpunkt Hospizarbeit
Als eine von 13 Einrichtungen hat das Unionhilfswerk Berlin eine Spende für ihre Angebote im Bereich der palliativen Geriatrie erhalten. Im Video-Interview stellt Bettina Wistuba, hauptamtliche Hospizdienstkoordinatorin im Unionhilfswerk, ihr Arbeitsfeld vor, speziell die ambulante Hospizarbeit.
Die Pressemitteilung zur Großspende der Evangelischen Bank zur Hospizarbeit finden Sie hier: