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Interview: Widerstandsfähigkeit durch Klimaanpassung

18. Juni 2025

Personengruppe, die im Kreis steht und Puzzleteile in den Händen hält

Wie können wir den Auswirkungen des Klimawandels begegnen? Welche Maßnahmen machen unsere Gesellschaft widerstands- und anpassungsfähig? Das ist insbesondere für vulnerable Gruppen wie ältere Menschen, Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen – und damit auch für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft – von entscheidender Bedeutung.

Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Stürme und Überschwemmungen können die Gesundheit und das Wohlbefinden der Bewohner:innen und Patient:innen in Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern erheblich belasten und gefährden. Daher ist es unerlässlich, präventive Klimaanpassungsmaßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und Lebensqualität in diesen und ähnlichen Gebäuden der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zu gewährleisten.  

Auch wir als Evangelische Bank erkennen, wie wichtig Klimaanpassungen sind. Deshalb finanzieren wir nicht nur Bau- und Sanierungsprojekte, sondern engagieren uns auch direkt – zum Beispiel durch die Förderung der Klimaanpassungsbeauftragten der Diakonie Deutschland, Katharina Gräfe.

Im Gespräch mit Katharina Gräfe, die diese Funktion seit Mitte vergangenen Jahres ausübt, ziehen wir heute eine Zwischenbilanz der insgesamt zweijährigen Kooperation und sprechen über ihre bisherigen Erfahrungen und Erfolge.

Portrait von Katharina Gräfte

EB: Frau Gräfe, Klimaschutz und damit auch Klimaanpassung spielen in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte eine nachgelagerte Rolle. Dies hat sicher auch mit dem allgemeinen Trend zu tun, dass Nachhaltigkeitsthemen aufgrund von Inflation und geopolitischen Krisen in den Hintergrund gerückt sind. Warum ist es dennoch wichtig, sich mit diesem Thema zu befassen? 

Gräfe: Das Thema Klimaschutz und Klimaanpassung bleiben von entscheidender Bedeutung. Die langfristigen Auswirkungen des Klimawandels werden unsere Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft tiefgreifend verändern. Ohne rechtzeitige Maßnahmen riskieren wir häufigere extreme Wetterereignisse, steigende Meeresspiegel und einen Verlust an Biodiversität. Zudem sind die wirtschaftlichen Kosten der Schadensbehebung, entstanden durch Naturkatastrophen, oft höher als die der Prävention.

Außerdem hat der Klimawandel auch direkte gesundheitliche Auswirkungen. Hitzewellen, Luftverschmutzung und Hochwasser treffen oft die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie ältere Menschen oder Kinder am härtesten. Außerdem leben Menschen mit geringem Einkommen oft in schlecht isolierten Wohnungen, die sich im Sommer aufheizen. Somit verschärft der Klimawandel bestehende soziale Ungleichheiten noch weiter. Hier kommt das Thema Klimaanpassung ins Spiel. Denn Klimaanpassung mindert Risiken und stärkt die Widerstandsfähigkeit von Gemeinschaften.

Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen bieten die Chance, Innovationen zu fördern, neue Schäden zu verringern und sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Es ist entscheidend, jetzt zu handeln, um eine lebenswerte Zukunft zu sichern. Wir freuen uns sehr über die Partnerschaft mit der Evangelischen Band und über deren großzügige Förderung unserer Arbeit.

EB: Sie sind seit fast einem Jahr als Klimaanpassungsbeauftragte bei der Diakonie Deutschland tätig. Welche Herausforderungen haben Sie in dieser Zeit am meisten beschäftigt?

Gräfe: Eine der großen Herausforderungen ist es, Träger und Einrichtungen zu unterstützen, die mit begrenzten finanziellen und personellen Ressourcen arbeiten und deren Klient:innen als vulnerable Gruppen besonders stark von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Dies erfordert, dass wir Klimaanpassungsstrategien in unsere soziale Arbeit integrieren. Es wird immer da besonders schön, wo Klimaanpassung und Klimaschutz zusammenwirken. Es ist entscheidend, das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen zu schärfen und die Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessengruppen zu fördern, um nachhaltige Lösungen zu entwickeln.

Portrait von Katharina Gräfte und Johanna Gary

Katharina Gräfe und Johanna Gary, Leitung Gruppe Nachhaltigkeit bei der Diakonie Deutschland, bei einer Pflanzaktion zur Verbesserung des Mikroklimas im Innenhof der ambulanten Wohngemeinschaft „Warschauer Höfe“ in Berlin.

EB: Können Sie uns einige konkrete Maßnahmen nennen, die Sie bisher umgesetzt haben, um die Auswirkungen extremer Wetterereignisse auf die Gesundheits- und Sozialwirtschaft zu mildern?

Wir unterstützen Träger und Einrichtungen dabei, Klimaanpassung in ihre bestehenden Strategien und Konzepte zu integrieren. Eine Umfrage zu Klimaanpassungsmaßnahmen hat gezeigt, dass neben Ressourcen vor allem Fachwissen in diesem Bereich gefragt ist. Deshalb freuen wir uns, dass wir bereits jetzt neben dem Austausch von Best-Practice-Beispielen und Problemen auf Netzwerktreffen auch eine Einführung in das Klimaanpassungsmanagement mit Risikoanalyse und Bewertung in Zusammenarbeit mit KATE Umwelt und Entwicklung e.V. anbieten können. 

Einige Einrichtungen setzen diese Maßnahmen bereits um. Viele haben Hitzeschutzkonzepte entwickelt, die veränderte Essenspläne, angepasste Medikamentenlagerung und -gabe sowie veränderte Pausen- und Arbeitszeiten in der Pflege umfassen. Auch Baumpflanzungen zur Beschattung wurden vorgenommen. Dies zeigt deutlich, wie Klimaschutz und Anpassung Hand in Hand gehen.

EB: Wie haben die Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen der Einrichtungen auf Ihre Initiativen reagiert? Gab es besondere Rückmeldungen oder Erfolge, die Sie teilen möchten?

Gräfe: Klimaanpassung ist bereits seit längerer Zeit ein wichtiges Thema bei unseren Trägern und Einrichtungen, besonders beim Thema Hitzeschutz. Unsere Schulungsangebote stoßen auf sehr positive Resonanz und großes Interesse. Wir freuen uns, dass Klimaanpassung auch bei der Planung neuer Gebäude berücksichtigt wird.

Die Diakonie Himmelsthür hat zum Beispiel in Zusammenarbeit mit ihrer Tochtergesellschaft der ISH (Immobilien- und Service Himmelsthür) gGmbH zahlreiche Maßnahmen bei der Planung des neuen Hauptgebäudes in Hildesheim integriert. Um auf mögliche Starkregenereignisse vorbereitet zu sein, wurde auf eine geringe Versiegelung der Außenflächen geachtet und eine große Wasserzisterne im Boden installiert. Diese verhindert die Überlastung der Abwasserkanäle und dient zur Bewässerung der Außenflächen. Große Fensterflächen wurden nicht nach Süden ausgerichtet und kleinere Fensterflächen generell bevorzugt. Eine Dachbegrünung trägt zur Kühlung und zur Förderung der Biodiversität bei.

Wir freuen uns auch über einige Einrichtungen und Träger, die zum Hitzeaktionstag am 4. Juni 2025 Aktionen durchgeführt haben, um das Thema Klimaanpassung in den Mittelpunkt zu rücken.

EB: Welche weiteren Schritte planen Sie, um die Klimaanpassung in den diakonischen Einrichtungen weiter voranzutreiben?

Gräfe: Zunächst werden wir die Schulungsangebote erweitern, um das Fachwissen in den Einrichtungen zu vertiefen. Ein weiterer Fokus liegt auf der Entwicklung maßgeschneiderter Anpassungspläne, die auf die spezifischen Bedürfnisse der einzelnen Einrichtungen eingehen. Der Austausch von Best Practices wird noch intensiviert, um erfolgreiche Strategien allen zur Verfügung zu stellen.

Am Ende der Projektzeit im Mai 2026 möchten wir den Einrichtungen und Trägern ein Konzeptpapier mit Schulungsmaterial und konkreten Maßnahmenplänen, die bereits in anderen Einrichtungen als wertvoll erachtet/getestet wurden, an die Hand geben. Auch die Zusammenarbeit mit externen Akteuren wie Kommunen, Katastrophenschutzeinrichtungen wie der örtlichen Feuerwehr und dem THW sind entscheidend und sollen gefördert werden. Auch jetzt zur Halbzeit der Kooperation mit der Evangelischen Bank liegen also noch viele spannende Entwicklungen vor uns.