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Warum die Transformation ein neues Mindset und Kooperationen erfordert

11. Dezember 2025

Prof. Dr. Maja Göpel auf dem LebensWert-Treff 2025

Beim diesjährigen LebensWert-Treff der Evangelischen Bank in Berlin sprach Prof. Dr. Maja Göpel, Transformationsforscherin und Autorin, über die Frage: Wie gelingt der Wandel in Zeiten ökologischer, ökonomischer und politischer Krisen. 

Der Preis des Festhaltens

„Das größte Risiko ist nicht der Wandel, sondern das Festhalten am Status quo – der kostet uns schon heute Vertrauen und Wohlstand.“ 

Mit dieser klaren Botschaft leitete Göpel ihren Vortrag ein. Die bisherigen Modelle von Wachstum und Fortschritt stießen an ihre Grenzen: Klimakrise, geopolitische Spannungen und soziale Ungleichheiten zeigten, dass alte Pfadabhängigkeiten nicht länger tragfähig seien. Wer an ihnen festhalte, riskiere nicht nur ökologische Schäden, sondern auch eine soziale Instabilität.

Transformation sei unbequem, weil sie Gewohnheiten infrage stelle. Doch kurzfristige Stabilität müsse gegen langfristige Zukunftsfähigkeit abgewogen werden. Dennoch sei genau jetzt die Zeit, diesen Wandel bewusst zu gestalten. „Wir sind in einer stürmischen Zeit“, so Göpel, „aber wir wissen auch, dass die Stabilität der Zukunft in einer nachhaltigkeitsorientierten Wirtschaftsweise liegen muss.“

Ein zentrales Leitmotiv des Vortrags war das systemische Denken. Göpel kritisierte die bisherige Praxis, Probleme isoliert zu betrachten: „Wir haben gelernt, Dinge auseinanderzunehmen und dann zu hoffen, dass sie zusammengesetzt wieder funktionieren. Aber weder Menschen noch Ökosysteme lassen sich in Einzelteile zerlegen.“ Stattdessen brauche es ein Denken in Zusammenhängen – zwischen Natur, Wirtschaft und Gesellschaft. Nur so ließen sich langfristige Wirkungen von Entscheidungen erkennen und effektive Lösungen entwickeln. Hier könne Storytelling helfen: Menschen könnten in Transformationsprozessen besser mitgenommen werden, wenn ihnen durch Geschichten der Sinn und das Ziel der Veränderung nähergebracht werde. In Geschichten ließen sich positive Zukunftsbilder entworfen, die zeigen, wie eine lebenswerte Zukunft aussehen könnte.  Es brauche neue Visionen, die an die Lebensrealitäten der Menschen anknüpfen. Wie kann Zukunft konkret aussehen? Welche Geschichten machen Lust auf Mitgestaltung? Menschen müssten sich als Teil dieser Zukunft erleben können, um die Transformation mitzugestalten.

Die Dynamik des Wandels und seine Widerstände
Eine weitere wichtige Botschaft Göpels war: Veränderung verläuft nicht linear. Sie sprach von einer „Durststrecke“ der Transformation: „Gefühlt wird es erst schlechter und dann besser.“ Zu Beginn sei mit höheren Investitionen zu rechnen, während die Renditen schrumpften, Prozesse könnten verlangsamt werden, bevor sich erste positive Effekte beobachten ließen.

Hinzu kämen Widerstände aus unterschiedlichen Richtungen. Göpel identifizierte drei idealtypische  Formen der Gegenreaktion auf Veränderungen:

  1. Angriff auf Werte – Grundprinzipien wie soziale Gerechtigkeit oder ökologische Verantwortung werden infrage gestellt, um den Wandel zu bremsen.

  2. Veraltete Indikatoren als blinder Fleck – Wir orientieren uns weiterhin am Bruttoinlandsprodukt (BIP), statt Lebensqualität, Gesundheit oder ökologische Stabilität als Erfolgskriterien zu nutzen.

  3. Entfernung kritischer Daten – Wichtige Daten, etwa zur CO2-Intensität von Produkten oder Prozessen, werden zurückgehalten oder entfernt, was eine transparente Bewertung erschwert.

Diese Dynamik zeige, wie wichtig klare Regeln und neue Messgrößen seien, um den Wandel zu stabilisieren und voranzutreiben.

Außerdem beschrieb Göpel die Transformation als Zusammenspiel von drei Ebenen. Für einen Wandel brauche es:

  1. Pioniere, die neue Wege erproben.

  2. Koalitionen, die verschiedene Akteure über Sektorgrenzen hinweg zusammenbringen. Nur durch die Zusammenarbeit von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kann Neues fest verankert werden.

  3. Regeln, die erfolgreiche Ansätze beständig machen und für Stabilität sorgen. Die Verankerung neuer Praktiken in Gesetzen und Standards schafft die Grundlage für Stabilität.

Die Illustration visualisiert die Transformation als Zusammenspiel der drei Ebenen Pioniere, Koalitionen und Regeln.
Die Illustration visualisiert die Transformation als Zusammenspiel der drei Ebenen Pioniere, Koalitionen und Regeln.

Wirtschaft und Politik neu denken
Göpel warnte vor einer zunehmenden „Asset Inflation“, bei der Vermögenswerte stiegen, ohne dass reale Produktivität dahinterstehe. „Wenn Mieten steigen, weil Boden zur Spekulation dient, dann ist das keine Wertschöpfung, sondern Wertabschöpfung. Wir brauchen produktives Vermögen.“ Märkte seien ein starkes Instrument für Innovation, aber nur, wenn sie ihrer Funktion gerecht würden. Dazu gehörten klare Regeln, faire Steuern und eine ehrliche Bepreisung von anfallenden Umweltkosten, etwa für CO2-Emissionen oder die Abholzung von Wäldern

Transformation brauche verlässliche politische und rechtliche Rahmenbedingungen. Nachhaltigkeit dürfe kein Ausnahmefall bleiben, sondern müsse zur Norm werden. „Es geht nicht um Staat gegen Markt, sondern darum, Märkte so zu gestalten, dass sie auf gesamtgesellschaftliche Ziele einzahlen.“ Dazu gehörten Steuerinstrumente wie Übergewinnsteuern und die Bepreisung von Umweltübernutzung; etwa durch CO2-Abgaben oder Abgaben auf Plastikverbrauch. Nur so ließen sich Investitionen in Infrastruktur und Energiewende mobilisieren. Göpel betonte zudem den Backcasting-Ansatz. Dabei wird von einer wünschenswerten Zukunft aus rückwärts gedacht, um die notwendigen Schritte und Entscheidungen zu identifizieren, die heute getroffen werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Zuerst müsse definiert werden, wie eine nachhaltige Gesellschaft aussehen soll und dann könnten die Schritte abgeleitet werden, die uns zum gewünschten Ziel führen.

Prof. Dr. Maja Göpel beim LebensWert-Treff der Evangelischen Bank.
Prof. Dr. Maja Göpel beim LebensWert-Treff der Evangelischen Bank.

Kosten des Status quo und globale Verantwortung
Göpel machte an einem Beispiel aus der Nahrungsmittelindustrie deutlich, wie teuer das Festhalten am Status quo sei: Die globale Nahrungsmittelproduktion verursache jährlich rund drei Billionen US-Dollar an Umweltkosten, 30 Prozent der CO₂-Emissionen und den Verlust von sechs Millionen Hektar natürlicher Wälder. Preislenkung und Regulierung, wie etwa eine Zuckersteuer oder Fleischreduktion, könnten diese Kosten senken. Zudem forderte sie gerechtere Wertschöpfungsketten: Produzenten im globalen Süden erhielten bislang nur einen minimalen Anteil. Um diesen Missständen entgegenzuwirken, brauche es Koalitionen für faire Verteilung und eine nachhaltige Produktion.

Aktuell sei die öffentliche Debatte noch stark von einer Verlustperspektive bestimmt: „Sobald man Alternativen zum Status quo vorschlägt, heißt es: Das ist Verzicht, das ist Verbot, das ist Verlust.“ Dabei, so Göpel, verursache gerade das Festhalten am Status quo enorme Schäden für Umwelt, Gesundheit und soziale Stabilität.

Wohlstand neu definieren 

„Wir müssen aufhören, nur den Geldfluss zu messen. Entscheidend sind die Bestände: Bildung, Natur, soziale Stabilität als Fundament unserer Zukunft.“ 

Göpel plädierte für systemisches Denken und langfristige Perspektiven. Märkte und Politik müssten zusammenarbeiten, um klare Rahmenbedingungen zu schaffen.

Transformation könne gelingen, wenn sie an Alltagsbedürfnisse anknüpfe und Zusammenarbeit ermögliche. 

Was wir mitnehmen können: Europa als Zukunftslabor

Die Transformationsforscherin kam zu dem Schluss: 

„Transformation ist unbequem, aber machbar, wenn wir den Mut haben, alte Pfade zu verlassen, Koalitionen zu bilden und positive Zukunftsbilder zu entwerfen. Denn:Transformation ist keine Bedrohung, sondern unsere größte Chance“. 

Zum Schluss zeigte sich Göpel optimistisch: Europa könne Vorreiter einer neuen Aufklärung sein – einer, die Wissen, Verantwortung und Kooperation verbindet. „Europa kann das besser – wenn wir mutig sind und zusammenhalten.“ Europa braucht eine gemeinsame Erzählung: eine Vision, die Hoffnung gibt und Menschen einlädt, aktiv mitzuwirken.

Erfahren Sie mehr zum Thema Transformation, welche Chancen sie bietet und welches Mindset für die Umsetzung benötigt wird – im Interview mit Frau Dr. Göpel auf dem LebensWert-Treff 2025

Video-Interview mit Frau Dr. Göpel

Video-Interview mit Frau Dr. Göpel

Auf dem LebensWert-Treff 2025 der Evangelischen Bank.

Interview • Länge: 02:17 • Veröffentlicht: 11.12.2025

Video-Interview mit Frau Dr. Göpel

Auf dem LebensWert-Treff 2025 der Evangelischen Bank.

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Video-Interview mit Frau Dr. Göpel

Video-Interview mit Frau Dr. Göpel

Auf dem LebensWert-Treff 2025 der Evangelischen Bank.

Interview • Länge: 02:17 • Veröffentlicht: 11.12.2025