Nachhaltige Investments – von der Nische zur Norm?
27.06.2025
Wofür steht das „S“ in ESG? Wie werden Rating-Daten generiert und genutzt? Was verbirgt sich hinter dem Begriff „Impact“? Diese und weitere Fragen beantwortet Simone Ruiz-Vergote, Global Head Sustainable Finance Policy Research bei MSCI.
Im Podcast „Ermutigende Blickwinkel“ der Evangelischen Bank gibt Simone Ruiz-Vergote spannende Einblicke in die Welt der ESG-Investments. Das folgende Gespräch wurde für den Beitrag gekürzt und verschriftlicht. Wenn Sie direkt zum gesamten Interview gelangen möchten, können Sie hier klicken:
Liebe Frau Ruiz-Vergote, nachhaltige Investments werden längst nicht mehr nur in Fachkreisen diskutiert, sondern sind auch in der Gesellschaft angekommen. Wo stehen wir heute konkret?
Simone Ruiz-Vergote: Dazu sollten wir erst einmal auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre schauen. Die ersten Treiber für unsere heutigen nachhaltigen Anlagen waren Socially Responsible Investments (SRI). SRIs konzentrierten sich hauptsächlich auf den Ausschluss bestimmter Anlageklassen, die von Investoren als unethisch oder schädlich angesehen wurden, bspw. die Tabakindustrie, die Alkoholindustrie oder Glücksspiel.
Mit der Zeit entwickelte sich das Konzept der nachhaltigen Investitionen weiter und wurde umfassender. Der Fokus verlagerte sich von einfachen Ausschlüssen hin zu einer detaillierteren Analyse der Unternehmen und ihrer Praktiken. Dies führte zur Entstehung von ESG-Investments, die Umwelt-, Sozial- und Governance-Faktoren (ESG) in die Investitionsentscheidungen einbeziehen. Die Integration von ESG-Faktoren in die Investitionsentscheidungen erfordert eine umfassende Analyse und Bewertung der Unternehmen. Diese Faktoren sind oft sektorspezifisch und können je nach Branche unterschiedlich gewichtet werden. Investitionen auf Basis von ESG-Faktoren zielen auf Unternehmen ab, die in ihren jeweiligen Bereichen führend sind im Management von Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiken. Das sind Risiken, die finanziell zu Buche schlagen können – also materiell für Investitionsentscheidungen sind, aber nicht immer direkt in der in keiner Bilanz auftauchen
Wo ist der Unterschied zu Investitionen, die nachhaltige „Wirkung“ (engl.: Impact) erzielen wollen? Was genau steckt dahinter?
Simone Ruiz-Vergote: Impact-Investitionen zielen darauf ab, messbare Verbesserungen der Investitionen in einem spezifischen Bereich zu erzielen z.B. der Ausbau erneuerbare Energien. Oft werden diese Verbesserungen anhand der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) – z.B. Armutsbekämpfung (SDG 1) oder Gesundheit (SDG 3) - gemessen. Der Erfolg solcher Investitionen zeigt sich darin, ob Investitionen positive Veränderungen bewirken. Es geht darum, mit Investitionen einen Unterschied zu erreichen. Diese „Additionalität“ begrenzt aber auch die Auswahl an Investitionsoptionen im Impact Bereich in der Praxis. Um den Nachhaltigkeitserfolg zu messen, braucht es sehr spezifische Datenpunkte, die nicht für alle Anlageklassen verfügbar sind.
Das „S“, also die sozialen Aspekte von ESG, werden oft zweitrangig gesehen. Viele Menschen denken bei Nachhaltigkeit zuerst an Umwelt und Klimaschutz, dabei umfasst dieser Begriff noch viel mehr. Warum ist das „S“ aus Ihrer Sicht ebenso wichtig?
Frau Ruiz-Vergote: Soziale Faktoren werden oft als subjektiver und weniger konsensfähig als die Umwelt- (E) und Governance-Faktoren (G) betrachtet. Das stimmt allerdings nur bedingt, denn sie sind durchaus quantifizierbar. Ein Beispiel hierfür sind die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Wir nutzen beispielsweise nationale Datenpunkte von Arbeitsschutzbehörden und ergänzen diese um Unternehmensangaben, um eine konsistente Bewertung zu ermöglichen. Eine von MSCI im vergangenen Jahr durchgeführte Studie zeigt: Unternehmen mit den besten Bewertungen in der sozialen Säule der MSCI ESG Ratings – u.a. Humankapital, Produkthaftung und Widerstand von Anspruchsgruppen – haben eine bessere Aktien-Performance erreicht in den letzten elf Jahren in allen wichtigen Regionen als ihre am schlechtesten bewertete Wettbewerber bei den Firmen in unserem breitesten Börsen-Index.
Aus meiner Sicht ist die soziale Nachhaltigkeit ein wichtiger und quantifizierbarer Bestandteil des ESG-Bereichs und sollte in Investitionsentscheidungen integriert werden.
Soziale Nachhaltigkeit kann für Investoren ein wichtiger und quantifizierbarer Bestandteil für ESG und Impact Investment sein.
Die gesamte Studie finden Sie hier:
Daten werden für viele Unternehmen immer wichtiger. Auch bei nachhaltigen Investments spielen sie eine große Rolle. Werfen wir gemeinsam einen Blick hinter die Kulissen. Wie werden diese Daten generiert und verwendet?
Simone Ruiz-Vergote: Daten sind entscheidend für die Bewertung von ESG oder Impact Investitionszielen. Daten MSCI nutzt ausschließlich öffentlich verfügbare Daten, entweder direkt von den Unternehmen oder von Drittquellen. Unternehmen haben Zugriffe auf die Daten, die MSCI von ihnen sammelt und können dies auch kommentieren oder uns zusätzliche öffentliche Daten melden. MSCI strukturiert Daten, um Vergleichbarkeit für Investor herzustellen.
Erfreulicherweise hat sich die Qualität der ESG-Daten in den vergangenen Jahren verbessert: So berichteten 2008 nur etwa sieben Prozent der börsennotierten Unternehmen ihre CO2-Daten, heute sind es über 70 Prozent.
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Über Simone Ruiz-Vergote
Simone Ruiz-Vergote ist als Executive Director und Head of Sustainable Finance Policy bei MSCI ESG Research tätig. MSCI ist ein führender Anbieter von Finanzmarkt- und Nachhaltigkeitsdaten. Ihr Interesse an Nachhaltigkeit entwickelte sich früh – geprägt durch ein Elternhaus mit naturwissenschaftlichem Hintergrund.