Nachhaltige Gebäudeentwicklung in der Gesundheitswirtschaft

Das deutsche Gesundheitssystem steckt im Investitionsstau. Allein der bestandserhaltende Investitionsbedarf der Krankenhäuser liegt nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft bundesweit bei rund sechseinhalb Milliarden Euro – und das pro Jahr. Im Experteninterview beschreiben Stefanie Schnabel, Projektleiterin beim diakonischen Altenhilfeträger Dienste für Menschen (DfM), und Johannes Reinsch, Geschäftsführer der EB-Tochter EB-Sustainable Real Estate (EB-SRE), praxisnahe Wege zur Bewältigung der großen Herausforderungen, vor denen die Branche beim Immobilienmanagement steht.

Nachhaltige Gebäudeentwicklung in der Gesundheitswirtschaft

Stefanie Schnabel von Dienste für Menschen und Johannes Reinsch von der EB-SRE. Fotos: Dienste für Menschen und Sascha Mannel - Visualbrander.com

Liebe Frau Schnabel, Sie haben ein großes Projekt vor sich. Sie befinden sich mitten in der Sanierung der Kennenburg, dem Hauptsitz von DfM in Esslingen. DfM hat ja ein sehr starkes Nachhaltigkeitsprofil. Wie spiegelt sich das bei der Sanierung wider?

Stefanie Schnabel: Wir sind seit vielen Jahren EMAS und seit einiger Zeit auch EMASplus zertifiziert. Nachhaltigkeit im sozialen, ökologischen und ökonomischen Sinne ist uns wichtig, und wir setzen dies aktiv um. Bei Bautätigkeiten prüfen wir zunächst, ob der Bestand erhalten werden kann oder ein Neubau erforderlich ist. Bei der Kennenburg haben wir uns für den Erhalt entschieden.

„Wir bemühen uns, soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit im Bau zu integrieren.”

Das umfasst nicht nur Energieeinsparungen und Gebäudedämmung, sondern auch Hitzeschutz, das Wassermanagement und Biodiversität. Ein besonderes Projekt ist die aktuelle Fassadensanierung. Hier werden erstmals alle Aspekte vereint: Fassadenbegrünung zur Förderung der Artenvielfalt, eine Zisterne für das Wassermanagement sowie Hitzeschutz und Stromproduktion zur nachhaltigen Energieerzeugung.

Herr Reinsch, wie unterstützt die EB-SRE nachhaltige Bau- und Sanierungsprojekte wie dieses? Wie helfen Sie Einrichtungen dabei, die richtigen Entscheidungen in diesem Prozess zu treffen?

Johannes Reinsch: Als Tochtergesellschaft der Evangelischen Bank sind wir speziell für Kirche, Gesundheits- und Sozialwirtschaft tätig.

„Das Kerngeschäft unserer Kund:innen findet fast immer in eigenen Immobilien statt. Die Immobilie ist jedoch nie das eigentliche Kerngeschäft.”

Daher sind die Beratungsbedarfe vielfältig. Der EU-Green Deal, die Anforderungen zur Klimaneutralität und die EU-Taxonomieverordnung setzen unsere Kund:innen unter Druck.

Wir unterstützen bei Portfolio-Betrachtungen, indem wir Kennzahlen auswerten, um den CO2-Fußabdruck zu ermitteln und zu sehen, wo wir im Hinblick auf das 1,5-Grad-Ziel stehen. Wir analysieren, auf welcher Ebene wir uns bewegen, und welche dringenden Handlungsbedarfe bestehen.

Ziel ist es, zuerst einen Überblick auf Portfolioebene zu schaffen und dann detailliert auf einzelne Objekte einzugehen.

Hierzu hat die Evangelische Bank das EB-Immo-Scoring entwickelt. Können sie uns erklären, was das Tool leistet?

Johannes Reinsch: Da Immobilien – wie erwähnt – nicht das Kerngeschäft unserer Kund:innen ausmachen, sind die Gebäudedaten oft unvollständig oder fehlen ganz. Für uns ging es darum, mit einem vertretbaren Aufwand besonders für mittlere und kleine Einrichtungen Kennzahlen zu generieren, um den Ist-Zustand zu erfassen. Beispielsweise: Wie steht ein Pflegeheim im Vergleich zum 1,5-Grad-Ziel da?

Das Ziel ist es, einen Überblick zu bekommen und zu verstehen, wo man steht und wohin man will.  Mit Hilfe des Tools können dann konkrete Maßnahmen und Szenarien hinsichtlich Kosten und Zielerreichung verglichen werden.

Der Fokus liegt momentan auf der CO2-Reduzierung, da der Gesetzgeber hier stark reguliert. CO2 wird bereits bepreist, während soziale Nachhaltigkeit schwerer zu erfassen ist. Dies ist jedoch nur ein erster Schritt. Wir erwarten, dass uns der Transformationsprozess über die nächsten Jahrzehnte hinweg beschäftigen wird. Dafür brauchen wir Werkzeuge zur gemeinsamen Arbeit.

Stefanie Schnabel ist Architektin in der Projektsteuerung bei Dienste für Menschen (DfM). Sie koordiniert die Planer-Teams bei Umbauten, Modernisierungen und energetischen Sanierungen der 26 Bestandsgebäude. DfM ist ein diakonischer Altenhilfeträger und betreibt mit rund 2.000 Mitarbeitenden Pflegestifte, Tagespflegen, ambulante Pflegedienste, Diakoniestationen und Wohnstifte in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen.

Johannes Reinsch ist Architekt und Geschäftsführer der EB Sustainable Real Estate (EB-SRE). Die EB-SRE, eine Tochtergesellschaft der Evangelischen Bank, ist spezialisiert auf die nachhaltige Optimierung und Neupositionierung von Bestandsimmobilien. Die EB-SRE berät DfM bei einem Immobilienprojekt.

Frau Schnabel, bringen die Sanierungsmaßnahmen in der Kennenburg auch ästhetische oder soziale Komponenten mit sich?

Stefanie Schnabel: Das hoffe ich natürlich. Wie Herr Reinsch bereits gesagt hat, sind die sozialen Aspekte oft schwer zu fassen. Wir Planer wissen jedoch, dass das Arbeits- und Wohnklima essenziell sind. Die Bewohnenden sollen sich wohlfühlen und das Umfeld ihren Bedürfnissen entsprechen. Auch die Mitarbeitenden sollen optimale Bedingungen vorfinden, um ihre Arbeit gut zu machen.

Wir haben bereits die Innenräumlichkeiten komplett umgebaut, was in den letzten fünf bis sechs Jahren bei laufendem Betrieb ein großer Aufwand war. Die Bewohnenden fühlen sich wohl, und jetzt möchten wir diesen positiven Effekt auch nach außen tragen. Es geht um die Identität, die Bewohnende und Mitarbeitende mit dem Gebäude verbinden. Mit der Fassadensanierung wollen wir dies erreichen.

Unser Projekt beinhaltet die Klimafassade. Wir wollen das Gebäude dämmen und energetisch optimieren. Zusätzlich möchten wir die Aufenthaltsqualität in der Balkonzone verbessern. Ein positiv gestaltetes Umfeld reduziert Stress, Reibungen und Ängste und fördert ein besseres Miteinander – das ist unser Ziel.

Wie können soziale, ökologische und ökonomische Aspekte beim Bau oder der Sanierung Hand in Hand gehen?

Johannes Reinsch: Das sollte der Anspruch jedes Bauprojekts sein, besonders im Bereich Wohnen. Es geht um Lebensräume, sei es im Altenwohnen, in der Wiedereingliederungshilfe oder in anderen Wohnformen. Physisch wahrnehmbare Elemente wie Oberflächen, Materialqualität, Luftqualität und Beleuchtung beeinflussen das Wohlbefinden direkt. Es gibt auch wichtige soziale Aspekte, wie die Erschwinglichkeit des Wohnraums. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen berücksichtigt seit 20 Jahren die drei Säulen der Nachhaltigkeit: ökonomisch, ökologisch und sozial. Diese Elemente greifen ineinander.

Dabei ist es wesentlich, dass man bezahlbaren Wohnraum schafft, der zugleich nachhaltig in Material, Nutzungsart und Nutzungsdauer ist. Wohlfühlfaktoren sind auch ökonomisch relevant, da gut funktionierende Gebäude mit einem guten Nutzungsmix zu niedriger Fluktuation führen. Die Qualität steht somit nicht im Widerspruch zur Kosteneffizienz, sondern geht mit dieser idealerweise einher.

Frau Schnabel, wie gestalten Sie die Zusammenarbeit mit Partnern wie der EB-SRE in solch großen Projekten? Was für ein Projektaufbau hat sich bei Ihnen bewährt?

Stefanie Schnabel: Wir haben schon viele Projekte an verschiedenen Standorten durchgeführt und lernen stetig dazu. Die Projektentwicklung lässt sich grob in drei große Blöcke unterteilen.

Der erste Block besteht darin, überhaupt eine Idee für einen bestimmten Standort zu entwickeln. In dieser Phase prüfen wir verschiedene Varianten und arbeiten eng mit Projektentwicklern wie Herrn Reinsch zusammen, um eine Machbarkeitsanalyse durchzuführen und erste Entwürfe zu erstellen.

Wenn das Projekt weiterverfolgt wird, stellen wir im Immobilienmanagement ein Planerteam zusammen. Es hat sich bewährt, sehr früh möglichst viele Fachplaner:innen einzubeziehen, nicht nur die Architektin oder den Architekten. Themen wie Brandschutz, Energie und Wärme sind wichtig, und es ist entscheidend, frühzeitig Fachwissen einzubringen, um in die richtige Richtung zu gehen. In dieser zweiten Phase legen wir die Weichen für den weiteren Projektverlauf.

Parallel dazu geht es auch um die Finanzierung. Wir sprechen mit den Banken, oft der Evangelischen Bank, und prüfen die Finanzierbarkeit des Projekts. Auch die Kostenträger müssen eingebunden werden. Eine fundierte Planung erhöht die Sicherheit. Erst wenn wir wissen, dass das Projekt genehmigungsfähig ist und alle Partner sowie das nötige Personal am Standort vorhanden sind, gehen wir in die letzte Phase: die Realisierung.

Frau Schnabel, wo liegt die Zukunft für den Gebäudebestand von Dienste für Menschen? Was für Ziele verfolgen Sie, was für Visionen haben Sie für die Gebäude?

Stefanie Schnabel:

„Wir haben das klare Ziel, bis 2030 klimaneutral zu sein, sowohl mit unseren eigenen Gebäuden als auch mit denen, die wir nutzen, aber nicht besitzen.”

Das ist sehr ambitioniert, insbesondere, da wir bei fremden Gebäuden nur begrenzten Einfluss haben, und die Finanzierung und die verfügbaren Ressourcen Herausforderungen darstellen.

Momentan befinden wir uns in der Planungsphase für mehrere unserer Häuser. Es geht darum, eine kontinuierliche und strukturierte Vorgehensweise zu entwickeln. Die Rahmenbedingungen ändern sich ständig und es gibt immer wieder Neuerungen auf dem Markt. Daher müssen wir flexibel bleiben und sicherstellen, dass unsere Planungen auch in zwei oder drei Jahren noch aktuell sind.

Wir tragen im Leitbild den Gedanken der Bewahrung der Schöpfung. Wir müssen jetzt handeln, um unsere Umwelt zu schützen und für die Zukunft als Lebensraum zu erhalten.

Herr Reinsch, welche Trends und Entwicklungen sehen Sie, damit Einrichtungen wie Dienste für Menschen im Jahr 2030 klimaneutrale Immobilienbestände vorweisen können?

Johannes Reinsch: Der entscheidende Schritt ist, sich auf den Weg zu machen.

„Die größte Gefahr besteht darin, abzuwarten, da Verzögerungen jedes Jahr erhebliche Kosten verursachen und den Handlungsspielraum einschränken.”

Wir sprechen hier über große Summen, aber auch über politische Anforderungen und Veränderungen in den Abläufen der Einrichtungen. Es ist wichtig, keine Angst vor diesem Transformationsprozess zu haben, sondern ihn als Chance zu sehen.

Ich bin zuversichtlich, dass wir in einigen Einrichtungen positive Entwicklungen sehen werden. Natürlich müssen wir realistisch bleiben und die Herausforderungen nicht unterschätzen, aber wir sollten auch die positiven Seiten dieses Prozesses betrachten.

Das ausführliche Interview mit Stefanie Schnabel und Johannes Reinsch finden Sie hier als Audiodatei:

https://www.eb.de/immo-entwicklung

Als werteorientierter Finanzpartner mit christlichen Wurzeln gestaltet die Evangelische Bank mit ihren Kund:innen in Kirche, Gesundheits- und Sozialwirtschaft eine nachhaltig lebenswerte Gesellschaft. Es gibt zahlreiche beeindruckende, außergewöhnliche und berührende Beispiele, wie ihre Arbeit unsere Welt verbessern. Bei der energetischen Sanierung im Pflegestift Esslingen-Kennenburg wurden nicht nur ökologische und ökonomische, sondern auch soziale Aspekte bedacht. Erfahren Sie mehr: www.eb.de/christina

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