Nachhaltige Geldanlage: Ende des Booms?

Nachhaltige Geldanlage: Ende des Booms?
Diskussion über die Auswirkungen der geopolitischen Krisen auf nachhaltige Geldanlage beim LebensWert-Treff der Evangelischen Bank © Sascha Mannel - Visualbrander.com

Diskussion über die Auswirkungen der geopolitischen Krisen auf die nachhaltige Geldanlage beim LebensWert-Treff der Evangelischen Bank. © Sascha Mannel - Visualbrander.com

Ende des Booms?

Bis vor Kurzem konnte bei nachhaltigen Geldanlagen eine zweistellige Wachstumsrate verzeichnet werden. In jüngster Zeit hat dieser Zuwachs jedoch stark nachgelassen. Joachim Fröhlich, Mitglied des Vorstands der Evangelischen Bank, sieht unterschiedliche Performances als eine Ursache: „Unser Artikel 9 Fonds, der auch auf das Pariser 1,5 Gard Ziel ausgerichtet ist, wurde zuerst von unseren Kund:innen gut angenommen. Doch aufgrund des Ukrainekrieges und der damit verbundenen Energieknappheit war die Performance von konventionellen Fonds, zum Beispiel von Investments in Öl, wesentlich höher als die der nachhaltigen Fonds. Natürlich beeinflusst das auch die Nachfrage.“ 

Dennoch: Besonders im Vergleich zu den USA, ist das Interesse und die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft in Europa weiterhin groß. „Daran haben die aktuellen Krisen und Konflikte fundamental nichts geändert, auch wenn diese kurzfristig als ‚Gegenwind‘ wirken und den Fokus der Anleger:innen derzeit etwas verschieben“, konstatierte Dr. Julia Haake, Leiterin der Rating-Agentur EthiFinance und Mitglied des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung  

Verena Menne, Geschäftsführerin des Forums nachhaltiger Geldanlagen (FNG), stimmt dem zu: Die erhobenen Zahlen seien nur bedingt aussagekräftig. Außerdem:  

„Wachstum verläuft nicht immer linear. Es kann eine Abschwächung geben und später wieder anziehen. Ich vermute, dass wir so etwas gerade beobachten.”

Greenwashing: Kann strengere Regulatorik unterstützen?

Ebenfalls diskutiert wurden Vorfälle von Greenwashing in den USA. Dort haben die Marktaufsicht und Marktregulierungsakteure eingreifen müssen und ursprünglich als nachhaltig gekennzeichneten Fonds dieses Attribut abgesprochen. Diese Fälle von fälschlicherweise beworbener Nachhaltigkeit sorgen für Verunsicherung – auch bei Unternehmen. So stufen diese aus Sorge vor Aberkennung von Nachhaltigkeit und der damit verbundenen schlechten Presse ihre Fonds geringer ein oder ziehen Nachhaltigkeitsargumente aus dem Marketing zurück, so Dr. Julia Haake.

Haben solche Greenwashing Fälle auch dazu beigetragen, dass der Markt nachhaltiger Investments in Europa weniger stark wächst? Für Thomas Küchenmeister, Geschäftsführender Vorstand von Facing Finance e.V., ist die Antwort eindeutig: „Auf jeden Fall. Unsere Kund:innen sind sehr verunsichert, dass so viele vermeintlich nachhaltige Produkte auf den Markt gekommen sind, die nach der Auffassung von Facing Finance eindeutig Greenwashing sind. So fällt es schwer, einzuschätzen, wie nachhaltig ein Fonds wirklich ist”, so Küchenmeister. Diese Situation sei auch aufgrund von mangelnder Regulierung entstanden. 

Es sei nicht mangelnde, sondern mangelhafte Regulierung, die zu dieser Verwirrung beitrage, sagte Joachim Fröhlich. Die Überforderung der Kund:innen sei auch in Beratungsgesprächen spürbar und eine direkte Folge der hohen Komplexität der Branche.

Doch die Regulatorik trägt auch zur Nachfrage nachhaltiger Geldanlagen bei, denn durch Richtlinien und Leitfäden bleibe das Thema präsent. „Gewiss sind die regulatorischen Vorgaben zum Teil ineffizient, fragmentiert und daher optimierungsbedürftig. Dennoch bleibt die Transformation hin zu einer nachhaltigen Finanzwirtschaft auch dank der bestehenden Vorgaben auf Kurs“, so Dr. Haake. 

Mehr Transparenz und Engagement

Für die Endkund:innen von nachhaltigen Anlagen spielt Transparenz verständlicherweise eine große Rolle. Ausschlüsse von bestimmen Investments, wie zum Beispiel Kinderarbeit oder Atomkraft, sind der einfachste Weg und laut FNG-Marktbericht auch die meistverwendete nachhaltige Anlagestrategie, so Verena Menne. Ausschlüsse stärken zwar das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit in der Branche, tragen aber nur bedingt zur Transformation bei: „Umfragen zeigen, dass Ausschlusskriterien die Unternehmen nicht beeinflussen. Wenn ein Investor aus ethischen Gründen nicht investiert, gibt es einen anderen, der es doch macht. Ausschlusskriterien bewirken keinerlei Transformation in den Unternehmen. Was wirklich hilft, ist Engagement, also in die Unternehmen reinzugehen und mit ihnen zu sprechen.“, so Dr. Julia Haake. 

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit stehen nicht im Widerspruch, so Joachim Fröhlich, Mitglied des Vorstands der Evangelischen Bank.

„Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit stehen nicht im Widerspruch“, so Joachim Fröhlich, Mitglied des Vorstands der Evangelischen Bank. © Sascha Mannel - Visualbrander.com

Engagement-Strategien unterstützen bei der Verankerung von Nachhaltigkeit in Unternehmen. Laut Definition des Forums für Nachhaltige Geldanlagen beschreibt Engagement „den aktiven und langfristigen Austausch“ zwischen Investor:innen und Unternehmen mit dem Ziel, die Unternehmensführung für die Berücksichtigung von sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien zu gewinnen. Dies umfasst zum Beispiel auch die Stimmrechtsausübung auf Hauptversammlungen. 

„Engagement heißt, dass wir immer wieder zur Veränderung motivieren.“, sagt Joachim Fröhlich. „Ausschlüsse von Investitionen reichen nicht aus. In dieser Phase der Transformation müssen wir incentivieren, es besser zu machen“, so Joachim Fröhlich.

Wie die Zukunft der nachhaltigen Geldanlagen aussieht, bleibt spannend. Festhalten lässt sich, dass auch bei nachhaltigen Geldanlagen die Erzielung stabiler Renditen ein zentrales Erfolgskriterium ist – und dies gelte in herausfordernden Zeiten genauso wie in stabilen Phasen, so Joachim Fröhlich. „Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit stehen nicht im Widerspruch – sie ergänzen sich. Die finanziellen Erträge mit positivem gesellschaftlichem Impact zu vereinen, ist unser Ziel als Evangelische Bank.“

Ausschnitte der Podiumsdiskussion können Sie als Sonderfolge unseres Podcasts „Ermutigende Blickwinkel“ hören. Klicken Sie dazu hier:

Zum Podcast

Information

Dass Investments in nachhaltige Geldanlagen in Europa weiterhin eine große Rolle spielen, bestätigt eine neue Studie des „European Impact Investing Consortium“. Diese hat ergeben, dass der private europäische Impact-Investment-Markt 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 20 Prozent gewachsen ist. Im Vergleich zu 2021 habe sich der Markt sogar verdoppelt. 

Untersucht wurden das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Frankreich als die größten Märkte für nachhaltiges Investment – Deutschland findet im Bericht keine gesonderte Erwähnung.

Insgesamt seien 190 Milliarden US-Dollar direkt und indirekt in nicht börsennotierte Vermögenswerte investiert, die das Konsortium als Impact Investment deklariert – also als Investition, die neben Rendite auch den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen zugutekommen.

Die unterschiedlichen Befunde und Schlussfolgerungen, ob und wie stark die Investments in nachhaltige Geldanlage in der jüngeren Vergangenheit zurückgegangen sind, sind auch Folge einer nicht geregelten Definition und Klassifizierung von Nachhaltigkeit in der Branche. 

Hier geht’s zur ganzen Studie:

Erfahren Sie im nachfolgenden Video, was Joachim Fröhlich, CCO Evangelische Bank eG, zum Thema stabile Renditen in unsicheren Zeiten sagt.

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