Neue Wege bei der Finanzierung der Transformation
Wird die Finanzierung der Transformation in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft zum Knock-out für Kostenträger? Oder kann der enorme Investitionsbedarf bedient werden – auch dank neuer, kreativer Ansätze? – Eine Podiumsdiskussion beim diesjährigen LebensWert-Treff der Evangelischen Bank lieferte auf diese Fragen zwar kein klares „Ja“ oder „Nein“, aber dafür interessante Anregungen sowohl für Sozialunternehmer:innen als auch politische Entscheidungsträger:innen.
Um die europäischen Klimaziele bis 2050 zu erreichen, müssen allein 108 Milliarden Euro in die energetische Sanierung von Sozialimmobilien investiert werden, bezifferte Prof. Dr. Bernd Halfar, Sozialökonom am Sustainability Research Lab der Katholischen Universität Eichstätt Ingolstadt, den aktuellen Finanzbedarf der Branche. Hinzu kämen nach Berechnungen des Deutschen Krankenhausinstituts noch einmal 42 Milliarden Euro für den Krankenhaussektor. „Um diese enormen Herausforderungen stemmen zu können, genügt es nicht, nur nach mehr öffentlicher Unterstützung zu rufen“, sagte Halfar. Notwendig sei darüber hinaus auch eine stärkere Einbeziehung von privaten Investor:innen, die besonders an der Finanzierung der Umstellung auf umweltfreundliche Energieerzeugung sehr interessiert seien: „Wenn private Investoren frühzeitig in die Planung und Realisierung von energetischen Maßnahmen einbezogen werden, bleiben diese für Sozialunternehmen auf Dauer ein stabiler Partner.“
„Um diese enormen Herausforderungen stemmen zu können, genügt es nicht, nur nach mehr öffentlicher Unterstützung zu rufen.”
Mehr Kreativität forderte Halfar allerdings auch im Umgang mit den Kostenträgern, mit denen Sozialunternehmen gezielte Vereinbarungen treffen sollten. Ein mögliches Modell wäre, sich mit ihnen etwa bei der energetischen Sanierung eines Gebäudes oder der Installation von Photovoltaik-Anlagen darauf zu verständigen, die Betriebskosten für einen längeren Zeitraum auf einem bestimmten Niveau festzuschreiben. „Nach Abschluss der Maßnahmen werden die laufenden Betriebskosten sinken, während zugleich die Refinanzierung auf dem ursprünglichen, höheren Niveau fortgesetzt wird“, rechnete Halfar vor. Die hierdurch freigesetzten finanziellen Mittel könnten die Unternehmen nutzen, um die für die Investition aufgenommenen Kredite zu tilgen. Als mögliche Geldgeber nannte der Sozialökonom institutionelle Anleger:innen, darunter kirchliche und gewerkschaftliche Fonds sowie Zusatzversorgungskassen.
Nachhaltigkeit im Sozialrecht verankern
Neben der Erschließung neuer Finanzierungsquellen sind nach Ansicht von Expert:innen jedoch auch veränderte rechtliche Rahmenbedingungen erforderlich, damit sich Nachhaltigkeit für Sozialunternehmen auch wirtschaftlich lohne. So müsse beispielsweise das gesamtgesellschaftliche Ziel der nachhaltigen Transformation im Sozialrecht verankert werden, forderte unter anderem Dr. Tobias Gaydoul, Vorstand Finanzen bei der Rummelsberger Diakonie e.V. Die aktuelle Praxis, in der Maßnahmen wie die Installation von Photovoltaik-Anlagen oder energetische Sanierungen betriebswirtschaftlich nur als Kostenfaktor gesehen werden, sei nicht länger tragbar: „Wenn Kostenträger nachhaltige Investitionen unattraktiv machen, indem sie danach nur noch die gesunkenen Kosten erstatten, ergibt das wirtschaftlich keinen Sinn“, mahnte Gaydoul.
„Wenn Kostenträger nachhaltige Investitionen unattraktiv machen, indem sie danach nur noch die gesunkenen Kosten erstatten, ergibt das wirtschaftlich keinen Sinn.”
Als besonders hinderlich auf dem Transformationspfad kritisierte der Sozialmanager auch das bestehende duale Finanzierungssystem, das Investitionen und Betriebskosten in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft von unterschiedlichen Kostenträgern finanzieren lässt. „Während wir als soziales Unternehmen den Anforderungen des Marktes und der Regulatorik vollständig ausgesetzt sind, operieren wir gleichzeitig unter den Restriktionen einer planwirtschaftlichen Refinanzierung“, so Gaydoul. Er verwies auf die strukturellen Herausforderungen, die Investitionen erschwerten: „Wir verfügen in der Sozialwirtschaft über keine ausreichenden Margen, um Investitionen zu finanzieren. Ohne eine grundlegende Reform der Refinanzierungsmechanismen bleibt unser Potenzial, nachhaltige und zukunftsorientierte Projekte voranzutreiben, ungenutzt.“
Investitionen als Frage der Prioritätensetzung
„Die nachhaltige Transformation stellt zweifellos eine immense Herausforderung dar – für Unternehmen, für Kostenträger und für die Gesellschaft insgesamt“, resümierte Karen Walkenhorst, Mitglied des Vorstands der Techniker Krankenkasse. Doch sie fügte sogleich hinzu: „Investitionen sind immer eine Frage der Prioritätensetzung, und hier müssen wir uns über die gemeinsamen Ziele einig werden.“ Wenn das vereinbarte, vorrangige Ziel die Nachhaltigkeit sei, müsse es möglich sein, die vorhandenen finanziellen Mittel für diese Zielerreichung optimal einzusetzen. Deutschland investiere über zwölf Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in das Gesundheitswesen – weltweit eine Spitzenposition. Vor diesem Hintergrund könne und dürfe es keinen finanziellen „Knockout“ geben, wenn alle Akteur:innen bereit seien, die Ziele klar und ggf. neu zu definieren und die bestehenden Ressourcen effizienter einzusetzen. „Die Transformation ist machbar, wenn wir uns gemeinsam für Veränderungen entscheiden“, so Walkenhorst.
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