Ökonomie und Nachhaltigkeit gehören zusammen
Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery ist einer der prominentesten Standesvertreter der deutschen Ärzteschaft. Der Radiologe und ehemalige Oberarzt am Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf engagiert sich seit mehr als 30 Jahren in der Berufspolitik. Zuletzt war er Vorsitzender des Weltärztebundes. Im Gespräch mit EinBlick fordert er, die Ökonomie im Gesundheitswesen so zu gestalten, dass sie steigende Nachhaltigkeitsanforderungen finanzieren kann.

Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery. © Sascha Mannel - Visualbrander.com
EinBlick: Warum sind Ökonomie und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen Ihrer Meinung nach untrennbar miteinander verbunden?
Montgomery: „Die Verbindung von Ökonomie und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen ist von entscheidender Bedeutung, da man das eine nicht ohne das andere gestalten kann. Nachhaltigkeit benötigt finanzielle Mittel, die durch eine vernünftige Ökonomie im Gesundheitswesen gewährleistet werden können. Historisch betrachtet wurde oft mehr Gewicht auf ökonomische Tatsachen gelegt als auf Nachhaltigkeit. Jedoch befinden wir uns an einem Kipppunkt, an dem die moderne Gesellschaft zunehmend Wert darauf legt, nachhaltig zu handeln und die Ökonomie die dafür benötigten Mittel liefern muss.”
EinBlick: Welche langfristigen Veränderungen sind erforderlich, um Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen zu fördern und welche Rolle spielt dabei die ökonomische Betrachtung?
Montgomery: „Langfristig sind sowohl eine Neuausrichtung des Fokus auf Nachhaltigkeit als auch Änderungen in der ökonomischen Betrachtung notwendig. Es gilt, die Bedürfnisse der Nachhaltigkeit zu definieren und die Ökonomie so zu gestalten, dass sie diese Bedürfnisse finanzieren kann. Zudem muss man an das Personal und die demografische Entwicklung sowohl der Bevölkerung als auch der Pflegenden und Ärzt:innen denken, um ein nachhaltig lebenswertes Gesundheitswesen zu gewährleisten.”
„Es gilt, die Bedürfnisse der Nachhaltigkeit zu definieren und die Ökonomie so zu gestalten, dass sie diese Bedürfnisse finanzieren kann.“
EinBlick: Wie beeinflussen demografische Veränderungen die medizinische Versorgung und welche Herausforderungen ergeben sich daraus?
Montgomery: „Demografische Veränderungen, insbesondere die alternde Bevölkerung, stellen eine Herausforderung dar. Es gibt immer mehr ältere Menschen und gleichzeitig zu wenig junge Menschen, die bereitstehen, um die Älteren zu versorgen. Ökonomisch betrachtet sind heute zwei bis drei Arbeitnehmer:innen notwendig, um eine Rentner:in in der gesetzlichen Krankenversicherung zu finanzieren. In der Zukunft wird sich das Verhältnis der Generationen verändern, und es wird mehr Fachkräfte im Gesundheitswesen benötigen.”
EinBlick: Gibt es bewährte Strategien aus anderen Ländern, die zeigen, wie nachhaltige Gesundheitsversorgung bei steigender Demografie erreicht werden kann?
Montgomery: „Die demografischen Herausforderungen im Gesundheitswesen sind nicht auf Deutschland beschränkt, sondern weltweit präsent. Beispiele aus Ländern wie Japan zeigen, dass gesellschaftliche Strukturen aufgrund des demografischen Wandels aufbrechen. Migration kann eine Lösung sein, indem man Menschen, die zuwandern, in den Arbeitsprozessen sinnvoll einsetzt. Es ist wichtig, das Migrationspotenzial zu nutzen und gleichzeitig die Attraktivität der Berufe im Gesundheitswesen zu erhöhen.”
EinBlick: Welche politischen Maßnahmen würden Sie vorschlagen, um die Herausforderungen im Gesundheitswesen, insbesondere im Zusammenhang mit den demografischen Veränderungen, anzugehen?
Montgomery: „In drei Bereichen sehe ich politische Ansätze: Arbeitsmigration, Verbesserung des Portfolios der Berufe durch qualifizierte Ausbildung und Erhöhung der Attraktivität dieser Berufe. Zudem bedarf es einer Überarbeitung der Institutionen im Gesundheitswesen, beispielsweise durch Krankenhausreformen. Die Politik sollte sich darauf konzentrieren, Lösungen für die aktuellen und langfristigen demografischen Herausforderungen zu finden.”
EinBlick: Wie sollte die Zusammenarbeit zwischen Regierungen, Gesundheitsbehörden und anderen Akteuren gestaltet werden, um das gemeinsame Ziel einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung besser zu erreichen?
Montgomery: „Die Forderung, verschiedene Akteure zusammenzubringen, um gemeinsame Ziele zu erreichen, besteht. Jedoch ist die Umsetzung aufgrund von Interessenskonflikten und unterschiedlichen Strukturen im Gesundheitswesen herausfordernd. Eine dauerhafte Zusammenarbeit, die auf gesundem Menschenverstand und legitimen Verhandlungspositionen basiert, ist notwendig. Es wird jedoch bezweifelt, dass ein nationaler Gesundheitsrat allein den Gordischen Knoten durchschlagen kann, und es bedarf eines fortlaufenden politischen Prozesses, um langfristige Lösungen zu finden.”
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