Offener Brief an die Gesundheitsminister:innen
Steigende Nachhaltigkeitsanforderungen könnten die angespannte finanzielle Situation im Krankenhaussektor weiter verschärfen. Darauf hat der Vorstand der Evangelischen Bank in offenen Briefen an die Gesundheitsminister:innen von Bund und Ländern hingewiesen.
Die steigenden regulatorischen Anforderungen auf nationaler und europäischer Ebene zur Erreichung der unter anderem mit dem EU Green Deal vorgegebenen Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen, ist eine wichtige, aber zugleich anspruchsvolle Aufgabe. Viele unserer Kund:innen aus Kirche, Diakonie, Gesundheits- und Sozialwirtschaft werden hierdurch vor Herausforderungen gestellt, die sie aus eigener Kraft kaum bewältigen können. Dies verdeutlicht insbesondere ein Blick auf den Krankenhaussektor, in dem sich im vergangenen Jahr die Anzahl der Insolvenzen drastisch erhöht hat: Insgesamt mussten 2023 mehr als 30 Krankenhäuser Insolvenzverfahren eröffnen – und damit deutlich mehr als in den Vorjahren. 2024 wird sich dieser Trend voraussichtlich fortsetzen, mehr als 70 Prozent der Kliniken erwarten für dieses Jahr eine weitere Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Situation. Fast kein Krankenhaus kann seine Aufwendungen mehr aus den Erträgen decken.
Überforderung des Krankenhaussektors
In offenen Briefen an den Bundesgesundheitsminister und an die Gesundheitsminister:innen der Bundesländer hat der Vorstand der Evangelischen Bank diese angespannte finanzielle Situation zum Anlass genommen, um auf die möglichen Folgen einer Überforderung des Krankenhaussektors aufgrund steigender Nachhaltigkeitsanforderungen hinzuweisen:
- Zum einen hat die Bundesanstalt für Finanzaufsicht (BaFin) im Sommer vergangenen Jahres die Mindestanforderungen an das Risikomanagement von Banken (MaRisk) um sogenannte Nachhaltigkeitseinflussfaktoren erhöht. Dies führt dazu, dass Banken bei der Kreditvergabe auch an Krankenhäuser verstärkt auf die Einhaltung von ESG-Standards achten müssen.
- Zum andern sehen neue Berichtspflichten nach der sogenannten Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vor, dass große Unternehmen, zu denen auch viele Krankenhäuser gehören, künftig verstärkt über ESG-Kriterien berichten müssen. Auch dies erhöht den Druck auf die Häuser, ihre Nachhaltigkeitsperformance zu verbessern.
Verteuerung oder sogar Ablehnung von Krediten
„Die zentrale Sorge, die sich aus diesen Anforderungen ergibt, ist die erhebliche Verteuerung oder sogar potenzielle Ablehnung von Krediten für Krankenhäuser, wenn sie die geforderten Nachhaltigkeitsfaktoren nicht erfüllen“, schrieben die EB-Vorstände Thomas Katzenmayer, Joachim Fröhlich und Olaf Kreuzberg an die Minister:innen. Bei einem Krankenhaus etwa, das mit seiner Immobilie das 1,5-Grad-Ziel verfehle und sich aktuell nur auf einem 3- oder 4-Grad-Pfad befinde, müsse perspektivisch mit deutlich sinkenden Beleihungswerten gerechnet werden – und hier stelle sich natürlich die Frage, woher dann die (Ersatz-) Sicherheiten für die kreditgewährende Bank kommen sollen.
Was die Änderung der Kreditvergaberichtlinien für die Kliniken bedeuten kann, hat der EB-Vorstand in seinem Schreiben so zusammengefasst: „Wenn Krankenhäuser keine Kredite mehr erhalten oder nur noch zu sehr hohen Zinssätzen, könnten sie in erhebliche Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Investitionen sowie sogar ihres laufenden Betriebs geraten. Im Ergebnis könnten die Häuser gezwungen sein, Dienstleistungen zu reduzieren oder gar zu schließen – mithin droht ein Kliniksterben bislang ungekannten Ausmaßes!“
Geeignete Maßnahmen ergreifen
Um ein solches Szenario abzuwenden, solle die Politik die Bedeutung dieses Themas erkennen und geeignete Maßnahmen ergreifen. An die Gesundheitsminister:innen der Bundesländer richtete der EB-Vorstand den Appell, zusätzliche Mittel für investive Ausgaben bereitzustellen: Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft fehlten den Häusern hierzulande für dringende Investitionen schon jetzt jedes Jahr rund 3,7 Milliarden Euro.
Und der Investitionsbedarf würde angesichts der Vorgaben aus dem EU Green Deal weiter zunehmen: Der Krankenhaussektor sei von einem überalterten Immobilienbestand gekennzeichnet, zudem hätten ökologische Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Planung von Kliniken bislang zumeist nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Die Folge sei ein immenser Investitionsrückstand aufgrund notwendiger Bestandssanierungen, Umbauten oder Ersatzneubauten.
Green Deal als Kostenfalle
„Keine Frage“, so endet der offene Brief an die Minister:innen, „die Ziele des EU Green Deal gelten auch für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft – und die Branche ist bereit, ihren Teil zur Erreichung der Klimaziele beizutragen. (…) Unsere Sorge ist allerdings: Wenn die Lasten nicht gerechter verteilt werden und der Krankenhaussektor auf dem Transformationspfad nicht mehr öffentliche Unterstützung erfährt, wird der Green Deal zur Kostenfalle für die Branche – mit dramatischen Folgen für die Gesellschaft insgesamt. Bitte helfen Sie mit, dass es dazu nicht kommt!“
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