Wie der Klimawandel unser Gesundheitssystem herausfordert

Der fortschreitende Klimawandel wirkt sich längst nicht mehr nur auf ökologische Systeme aus. Vielmehr betreffen die negativen Folgen der sich verändernden Umweltbedingungen auch die Gesundheitswirtschaft. Dr. Matthias Albrecht, Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG), fordert deshalb unter anderem mehr Investitionen in die Klimaresilienz von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen und beklagt den „Innovationsstau“ im deutschen Gesundheitssystem.

Dr. Matthias Albrecht, Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG)

Dr. Matthias Albrecht, Geschäftsführer der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) beim LebensWert-Treff der Evangelischen Bank. © Sascha Mannel - Visualbrander.com

EinBlick: Herr Dr. Albrecht, vor welchen Herausforderungen stehen wir aktuell als Menschheit, insbesondere mit Blick auf den Klimawandel?

Dr. Albrecht: „Erstmal eine gute Nachricht: Die weltweite Lebenserwartung war noch nie so hoch wie heute. Gleichzeitig haben wir jedoch ein Problem mit der stark steigenden Bevölkerung und dem damit verbundenen erhöhten Ressourcenverbrauch. Wir haben ein gutes Leben, aber wir belasten unsere Erde durch den hohen Konsum. Das sieht man zum Beispiel daran, dass der Earth Overshoot Day dieses Jahr bereits am 2. August war. Der übermäßige Ressourcenverbrauch führt zu deutlichen Veränderungen natürlicher Systeme, wie beim Fischfang und Urwaldverlust. Zusätzlich ist wissenschaftlich belegt, dass sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen jetzt schon überschritten sind. Das bedeutet, dass unser Planet nicht in der Lage ist, sich selbst von diesen Belastungen zu regenerieren. Es hat bereits ein unveränderlicher Wandel stattgefunden. Das ist ein Grund zur Sorge und zeigt, dass es Zeit zum Handeln ist.“

EinBlick: Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf Einrichtungen der Gesundheitswirtschaft und Pflege?

Dr. Albrecht: „Einen ganz erheblichen, denn die Bewohner:innen und Patient:inen, aber auch die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sind zum Beispiel durch extreme Wetterereignisse oder Hitzeperioden enormen Belastungen ausgesetzt. Gleichzeitig sind die Einrichtungen des Gesundheitswesens bedeutende Emittenten an Treibhausgasen und befeuern damit den Klimawandel. Und am Ende leiden die Einrichtungen dann an den hohen Energiekosten und den Kosten für die zunehmende CO2-Bepreisung. Das ist ein Teufelskreis, denn wir durchbrechen müssen.“

„Die Krise trifft auf ein geschwächtes Gesundheitssystem in Deutschland, das zudem unter einem Innovationsstau leidet.”

EinBlick: In welchem Zustand ist unser Gesundheitssystem, um mit diesen Herausforderungen umzugehen?

Dr. Albrecht: „Die Krise trifft auf ein geschwächtes Gesundheitssystem in Deutschland, das zudem unter einem Innovationsstau leidet. Einerseits aufgrund fehlender Mittel und – vor dem Hintergrund der anstehenden Strukturreform – auch aufgrund großer Unsicherheit, ob sich Investitionen noch lohnen. Eine weitere Herausforderung ist das Problem des Personalmangels. Der Vergleich zeigt, dass wir nicht weniger Personal haben als andere europäische Länder, aber wir haben weniger Personal pro Patient:in zur Verfügung. Das verursacht Stress für beide Parteien. Ich glaube, wir müssen die Patient:innen intelligenter und mit weniger Ressourceneinsatz versorgen als in der Vergangenheit.

EinBlick: Wie können wir die Gesundheitsberufe befähigen, Akteur:innen einer nachhaltigen Transformation zu werden?

Dr. Albrecht: „Die Mitarbeitenden im Gesundheitswesen spielen eine sehr wichtige Rolle in der Transformation zum nachhaltigen Gesundheitswesen. Sie können als Agent:innen, jede:r in seinem Bereich, Möglichkeiten der Transformation suchen und oft auch schon kleine Dinge umsetzen. Sie können außerdem als Multiplikatoren gegenüber ihren Kolleg:innen wirken und so Veränderungsprozesse anstoßen. Die erforderliche Veränderung darf nicht ausschließlich von oben gesteuert werden, sondern muss auch aus der Basis heraus erfolgen. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, Personal auszubilden, zum Beispiel Klimamanager:innen und Resilienzmanager:innen, die dann in den Einrichtungen Einsparmöglichkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten identifizieren und diese im Alltag umzusetzen.”

EinBlick: Was können die Einrichtungen dazu beitragen?

Dr. Albrecht: „Meiner Einschätzung nach ist es für die Einrichtungen des Gesundheitswesens als erstes von Bedeutung, das Thema ernst zu nehmen und auf die Agenda zu setzen. Im zweiten Schritt müssen die Verantwortlichen sich eine Übersicht über den aktuellen Stand machen sowie einen Plan und ein Ziel ausarbeiten. Anschließend müssen die Strukturen für die Umsetzung geschaffen werden, indem Mitarbeitende ausgebildet und in Funktionen gehoben werden, wo sie Veränderungen vornehmen können. Ziel muss es sein, den Willen zum Wandel in die tägliche Routine mit aufzunehmen, so dass die Transformation irgendwann zum Selbstläufer wird.”

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